Mirko, euer Rotwein heißt Sankt Adrian. Bezeichnet Sankt Adrian die Region? Wir sind hier ja eigentlich in Lumbarda, auf der wunderschönen dalmatinischen Insel Korcula in Kroatien. Was bedeutet also Sankt Adrian genau?

Tatsächlich heißt mein Sohn Adrian. Als er 2013 geboren wurde, haben wir gerade den Restart mit unserem Label gemacht. Insofern war es ein schönes Symbol für den Neustart, das wiederbelebte Label nach dem ersten Sohn zu benennen. Mein Großvater hat in den 70er Jahren das Haus gebaut, in dem wir uns jetzt befinden, mit einer Wohnung für Gäste. Damals gab es außer Wein und Oliven nicht viel auf der Insel. Mein Opa hatte immer große Freude daran, Wein anzubauen, zu ernten und zu einem sehr guten Land,- bzw. Inselwein auszubauen. Dabei hat er sich die traditionellen Methoden unserer Region zu nutzte gemacht und wenn man ehrlich ist, immer auch einen Gutteil des Weines selbst verkostet. Irgendwann ließen seine Kräfte nach und er hat einfach aufgehört. Er hatte keinen Durst mehr und dann war es erstmal vorbei mit dem Wein.

Und du hast dann diese Familientradition wiederbelebt?

Ich bin praktisch in die Weinfamilie und Tradition hineingeboren worden. Aus heutiger Sicht unglaublich, aber auch wir Kinder haben immer etwas mit Wasser verdünnten Wein getrunken. Und ich habe meinem Großvater natürlich immer über die Schulter geschaut. So war Wein bei uns ein ständiges Thema. Meine Eltern hatten aber ein Schreibwarengeschäft in Korcula und waren damit voll ausgelastet. So wurde nachdem mein Opa aufgehört hatte, lange kein Jahrgang mehr produziert. Auch ich war zunächst zum Studium in Split und auch sonst viel unterwegs, habe dann aber irgendwann den Wunsch verspürt, diese Tradition nicht einfach eingehen zu lassen. So ist 2013 Sankt Adrian entstanden.

Warum Sankt? Was hat das für eine Bedeutung?

Naja, die Gegend hier ist schon sehr katholisch. Vor allem ist man aber beim Weinmachen auf Unterstützung von ganz oben angewiesen. Auf der anderen Seite ist Weinbau auch ein sehr wissenschaftliches Thema, denn die Mikrobiologie und Chemie des Weins ist ein wichtiger Bestandteil des Gelingens.

Kommt dir dabei deine naturwissenschaftliche Ausbildung zugute?

Absolut, ich habe zwar Maschinenbau studiert, mich während meiner Promotion aber auch viel mit Elektrochemie beschäftigt, das hat mir die Welt der Chemie näher gebracht und einen gewissen Reiz auf mich ausgeübt.

Hilft dir dieses Wissen, die Weinproduktion besser zu steuern?

Die chemische Seite ist ein komplexes Feld mit unzähligen Parametern, die eine Wechselwirkung untereinander haben. Viele Aspekt sind wie in jedem wissenschaftlichen Gebiet noch völlig unerforscht. Trotzdem hilft es, wenn man die Wechselwirkungen so gut es geht versteht, um den Prozess von Jahr zu Jahr besser anpassen zu können.

Hast du denn das Gefühl, dass du von Jahr zu Jahr Fortschritte machst?

Auf jeden Fall. Ich muss sagen, dass mir meine ersten Versuche schon nach drei Jahren ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben, weil ich gemerkt habe, dass es funktioniert. Man muss einfach anfangen, nur so kann man mit jedem Jahrgang dazulernen. Jetzt habe ich ein Niveau erreicht, auf dem ich weiß, was ich tue und wie ich angemessen auf das Jahr reagieren kann.

Wenn es also Unterschiede und Verbesserungen von Jahr zu Jahr gibt, könntest du einen Jahrgang, sagen wir den 2016er herausschmecken und vom 2019er unterscheiden?

Also ich bin kein Sommelier, die können das natürlich viel besser. Aber ja, ich würde die einzelnen Jahrgänge meines Weins erkennen. Rückblickend erinnere ich mich sehr gut, wie welches Jahr geschmeckt hat.

Wenn man kroatische Weine mit französischen oder italienischen vergleicht, ist es fair zu sagen, dass die kroatischen vorwiegend im eigenen Land getrunken werden?

Das stimmt, wir haben verhältnismäßig wenig Wein. Wenn man sich hier umschaut, sieht man sehr viel steiniges, karges Land. Das kann man nicht mit kilometerlangen Plantagen in Frankreich oder Italien vergleichen, wo man relativ einfach Wein anbauen kann. Hier haben wir in den Hauptanbaugebieten steile Hänge mit gemahlenem Stein, wo die Reben in den Stein gesetzt werden. Das lässt von der Kapazität und den Rahmenbedingungen keinen Massenwein zu. Es gibt in Kroatien also wenig Wein, dafür sieht man aber das Potenzial im Spitzensegment.

Spielt die Mineralisierung und die Meeresluft dabei eine Rolle?

Man sagt, je mehr die Rebe leidet, desto besser wird der Wein. Das heißt, die Kombination von Hitze, heißen Sommern, wenig Feuchte, karge Böden, in denen die Rebe regelrecht kämpft, um die Stoffe aus dem Boden zu ziehen, aber auch die Strahlung am Hang, die sowohl von oben als auch vom Meer kommt, spiegelt sich im Wein wieder. Charakteristisch für unsere Weine sind niedrige Säurewerte, dadurch sind sie geschmeidig am Gaumen, der Körper und das Volumen kommt sehr schön zur Geltung.

Welche Rebsorte baut ihr für euren Wein an?

Die Rebsorte heißt Plavac Mali, übersetzt der „kleine Blaue“, die Trauben sind tatsächlich sehr klein und blau. Plavac Mali ist eine autochtone kroatische Sorte, die sich so weit wir wissen auch hier im südlichen Dalmatien entwickelt hat. Sie ist deshalb sehr gut an das Klima angepasst und eindeutig die beste kroatische Rotweinsorte mit einem extrem hohen Alterungspotenzial, das heißt, sie ist sehr taninreich, ca. 4.000 Milligramm pro Liter im Vergleich zu ca. 2.500 bis 3.000 bei normalen guten Rotweinen, was eine besonders gute Lagerbarkeit zur Folge hat.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich als Wein-Banause oute. Wo steckt das Tanin eigentlich drin?

Eigentlich in drei Bestandteilen, nämliche in der Schale, den Kernen und den Stielen in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Optimal ist das reife Tanin aus der Schale.

Könnte man Tanin separat schmecken, also zum Beispiel im Wasser?

Ja, im Prinzip schon, wobei es genau genommen kein Geschmack ist, sondern eine Astringenz, die durch den chemischen Prozess im Mund entsteht. Der Speichel verliert die Schmierfähigkeit, und man hat dieses leicht Pelzige auf der Zunge. Die Kunst besteht darin, ein reifes Tanin zu entwickeln, dass dem Wein eine angenehme, reife Weichheit verleiht.

Als ich durch die Weinberge gegangen bin, habe ich mich gefragt wie alt die Rebstöcke wohl sind und in welchem Alter sie die besten Trauben tragen. Kannst du dazu etwas sagen?

Die können 30 bis 50 Jahre werden, vereinzelt auch älter. Nach dem Setzen braucht es ungefähr drei Jahre, bis man die ersten Trauben ernten kann. Mit sieben Jahren hat die Rebe ihre volle Kraft entwickelt. Wenn sie dann in das letzte Lebensdrittel geht, ist der Geschmack noch intensiver, aber der Ertrag ist nicht mehr so hoch. Es geht immer um die Balance zwischen Ertragsmenge und Qualität.

Sankt Adrian Lumbarda Plavac Mali ist wirklich empfehlenswert. Wenn man Glück hat, kann man eine von 2.000 Flaschen des Weines von der dalmatischen Küste für € 21,90 im Internet an Land ziehen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Qualität statt Masse ja ohnehin eure Philosophie.

Ja, genau, wir verzichten auf jegliche Pestizide im Boden und bearbeiten die Gassen per Hand mit Hacken, um das Unkraut rauszuholen.

Auf diese Weise produziert ihr wie viele Flaschen pro Jahr?

Ungefähr 2000, das variiert natürlich immer ein bisschen von Jahr zu Jahr, ist aber die Größenordnung mit der wir uns wohlfühlen, weil wir sie mit unseren Gästen, Freunden, Kunden und natürlich auch mit unserer Familie verkosten können. Ich sage immer „Wein verbindet“ und wir trinken natürlich auch den Wein, den wir produzieren.

Trinkt man als Winzer eigentlich jeden Tag Wein? Gibt es da so eine Regel oder Lebensweisheit nach der ihr euch richtet?

Es hat sich gewandelt. Früher wurde über den Tag viel mehr getrunken. Ein Erwachsener hat vielleicht eine Flasche über den Tag getrunken, aber auch immer mit Wasser verdünnt. Es ist einerseits schwer einen Tag komplett zu verzichten, denn der Wein ist jeden Tag auf dem Tisch, er ist einfach ein Teil des Alltags, aber andererseits lernt jeder im Laufe des Lebens sich in den Grenzen zu bewegen, die einem guttun. Hier lebt noch die Tradition, dass Familien Wein für den Eigenbedarf produzieren.

Haben denn alle ein Stück Land mit Rebstöcken?

Ja, die meisten Familien haben ihr eigenes kleines Weinbaugebiet, um das sie sich jedes Jahr kümmern, um die Reben am Leben zu erhalten. Man sagt hier, dass die Olive wie eine Mutter ist und die Rebe wie eine Geliebte. Eine Olive kann man auch mal ein paar Jahre allein lassen, wenn man wiederkommt, nimmt sie einen trotzdem wieder auf, während die Rebe wenn man sie zu lange vernachlässigt, weg ist wie die Geliebte.

Das ist ein schöner Vergleich. Verkauft ihr euren Wein auch nach Deutschland?

Man kann ihn im Internet bestellen oder in Wuppertal in einigen Läden kaufen. Meistens dauert es ungefähr ein Jahr bis ein Jahrgang verkauft ist.

Zum Schluss noch eine Frage. Hast du einen besonderen Wunsch für dein Label für die Zukunft?

Ja, ich möchte auf jeden Fall einen besonderen Wein mit hohem Wiedererkennungswert produzieren und weiter veredeln. Deshalb haben wir uns auch für die lokale Rebsorte Plavac Mali entschieden, die aufgrund der geringen Bekanntheit zwar eine größere Eingangsschwelle hat, aber wir fanden, dass es Merlots, Cabernet Sauvignons und so weiter schon genug auf der Welt gibt. Unser Sankt Adrian dagegen ist ein original süddalmatischer, handgelesener und hervorragender Inselwein, der unsere Tradition und handwerkliche Kunst in Europa ein Stückchen bekannter macht. Das ist für mich der Antrieb und eine große Freude.

Mirko, vielen Dank für das Gespräch. Ich würde sagen zum Wohl oder wie man in Kroatien sagt Zivjeli!

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